Was macht die „Junge Alternative“ in der Oberlausitz?

Bei einer Wanderung der Oberlausitzer AfD-Jugend sollen sich Teilnehmer offen rechtsextrem und antisemitisch geäußert haben. Wer gehört eigentlich zum AfD-Jugendverband in Bautzen – und wie tritt er auf?

Am 17. November 2023 veranstaltete die JA Oberlausitz eine sogenannte „Heldenwanderung“, um den gefallenen deutschen Soldaten zu gedenken. Bei der Wanderung wurde laut Recherchen von RTL rechtsextremes Gedankengut geäußert.

Im November 2023 nahmen zwei RTL-Reporterinnen mit versteckter Kamera an einer Wanderung der „Jungen Alternative“ (JA) Oberlausitz teil. Die Sendung des RTL-Magazins „Extra“ wurde im Februar 2024 ausgestrahlt.

Demnach soll ein Teilnehmer der Wanderung davon gesprochen haben, Juden und Ausländer in Ghettos einzusperren. Der Staat müsse Freiwillige suchen, „die zur Not bereit sind, auch auf Frauen und Kinder zu schießen“. Des Weiteren sprach der Teilnehmer davon, Hitlers „Mein Kampf“ müsse Pflichtlektüre in der Schule werden, und fantasierte von einem „gewaltvollen politischen Umsturz“. RTL zufolge unternahmen die anwesenden JA-Mitglieder nichts, um solche Aussagen bei ihrer Veranstaltung zu unterbinden.

Das sächsische Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) hat die JA Sachsen im April 2023 als „erwiesen rechtsextremistische Bestrebung“ eingestuft. Die JA hat dagegen keine Rechtsmittel eingelegt. Inzwischen gilt die Einstufung für den gesamten Bundesverband.

Doch wer gehört eigentlich zur AfD-Jugend in der Oberlausitz und welche Ziele verfolgt sie?

JA-Veranstaltungen wirken wie harmlose Freizeitangebote

Der Trägerverbunt, ein Netzwerk lokaler Initiativen für Demokratie und Toleranz, schätzt die JA Oberlausitz auf zehn bis 15 Mitglieder. Die JA gibt dazu keine Auskunft. Gegründet hat sich der Bezirksverband im März 2023.

In den Sozialen Medien wirbt die JA Oberlausitz für zahlreiche Aktivitäten: Bowling- und Spieleabende, ein Oktoberfest in Neukirch/Lausitz oder ein Volleyballturnier im August 2023 am Bautzener Stausee.

Nach außen wirken diese Veranstaltungen wie harmlose Freizeitangebote für junge Menschen. Taucht ein Volleyballturnier jedoch im Monatsbericht des LfV auf, kann es so harmlos nicht sein. In den Berichten des Verfassungsschutzes werden das Volleyballturnier und weitere JA-Veranstaltungen als „dem LfV Sachsen bekannte extremistische Aktivitäten“ aufgelistet.

Christian Schäfer vom Trägerverbunt sagt, die JA nutze solche Veranstaltungen, um neue Mitglieder zu rekrutieren. „Das sind ganz niederschwellige Angebote für junge Menschen. Für die, die schon am Rand stehen und eine rechte Affinität haben, öffnet das Tür und Tor zu einer Radikalisierung.“ Dabei spreche die JA vor allem intellektuelle Kreise an.

JA wirbt vor Schulen und in den Sozialen Medien
Sie verteilt gemeinsam mit AfD-Politikern Flyer vor Gymnasien, postet auf ihrem Instagram-Kanal Städte-Quizze zum Mitmachen und lädt zu kostenlosen Stadtführungen ein, „um etwas zur Geschichte der Oberlausitz zu erfahren“.

In ihrem Auftreten grenzt sich die JA deutlich ab von anderen rechtsextremen Gruppierungen, die nach außen hin klar der Szene zuzuordnen sind. Schäfer sagt: „Die einzelnen Gruppen bedienen alle die gleiche Altersklasse, sprechen aber unterschiedliche Klientel an. Wo sie letztendlich hinwollen, ist politisch sehr ähnlich. Da gibt es wahrscheinlich nur feine Nuancen.“

Das LfV schreibt auf Nachfrage von Sächsische.de zur Einstufung der JA als rechtsextrem unter anderem folgendes: „Die Junge Alternative (JA) propagiert in ihrem sog. Deutschlandplan vom Februar 2019 einen ethnisch-homogenen Volksbegriff, der mit dem im Grundgesetz verankerten Prinzip der Menschenwürde nicht vereinbar ist. Angehörige anderer Ethnien werden aufgrund ihrer Religionszughörigkeit oder ihrer kulturellen Wurzeln abgewertet und als nicht integrierbar dargestellt.“

Für die JA stelle die größte Gefahr ein „vermeintlich gesteuerter Bevölkerungsaustausch“ dar. Sie agiere fortwährend mit Begriffen wie „Umvolkung“, „Großer Austausch“ und Forderungen nach „Remigration“.

Enge Zusammenarbeit mit der Mutterpartei

Die Zusammenarbeit der Jugendorganisation mit dem AfD-Landesverband beschreibt das LfV als „äußerst eng“. Dabei sei die „Intensität der strukturellen und strategischen Zusammenarbeit“ in den vergangenen Jahren noch deutlich enger geworden. JA-Mitglieder, die im Landes- oder Bezirksverband vorsitzende Funktionen innehaben, müssen zudem verpflichtend AfD-Mitglieder sein.

Die enge Verzahnung mit der Mutterpartei zeigt sich auch in der Oberlausitz bei zahlreichen Veranstaltungen. AfD-Abgeordnete wie Karsten Hilse, Frank Peschel und Timo Schreyer nahmen beispielsweise am JA-Oktoberfest in Neukirch/Lausitz teil, andersherum waren JA-Mitglieder beim Landesparteitag der AfD in Glauchau anwesend.

Auch nach der Einstufung der JA Sachsen als gesichert rechtsextrem im April 2023 habe sich die sächsische AfD „weder öffentlich distanziert, noch hat sie auf deren Programmatik mäßigend Einfluss genommen“, so das LfV. Seit Dezember 2023 gilt nun auch der AfD-Landesverband als gesichert rechtsextrem.

Christian Schäfer sagt: „Über die JA erreicht die AfD eine Wählerschaft, die hier in der Region eher schwach vertreten ist: junge Menschen.“ Der AfD-Nachwuchs kandidiert auch für die Kreistagswahl im Juni 2024. Unter anderem stehen die JA-Regionalvorsitzende Nicole Scharpe sowie Schatzmeister Lennard Scharpe auf der Liste.

Das Ehepaar gehört zu den führenden Mitgliedern der Oberlausitzer AfD-Jugend. Nicole Scharpe schreibt für den Blog der JA Sachsen als Theologin. In einem Beitrag sieht sie „queere Gottesdienste, Regenbogenfahnen auf dem Altar und geschlechtergerechte Bibeln“ als Beispiele für „die Anpassung der Kirche an die modernen Ideologien“ – und darin einen der Hauptgründe, warum die Kirche stetig an Mitgliedern verliere.

Verflechtungen in die rechtsextreme Szene

Lennard Scharpe ist Schatzmeister der JA Sachsen und tritt als Blogger in Youtube-Videos auf. In seinen Beiträgen provoziert er unter anderem Teilnehmer von Veranstaltungen wie des Bautzener CSD im Juli 2023 oder der Demonstration „Zusammen gegen Rechts“ im Januar 2024 in Radeberg.

Auch im Telegram-Kanal der rechtsextremen Online-Plattform „Balaclava Graphics“, die laut Verfassungsschutzbericht 2022 von einem bekannten Rechtsextremisten betrieben wird, kursiert ein Video vom Bautzener CSD.

Darin bedrängt Scharpe gemeinsam mit einem Mitglied der Freien Sachsen sowie von „Balaclava Graphics“ eine SPD-Politikerin mit Mikrofon und Kamera. Unter dem Video steht: „Da wirkt jemand ziemlich überfordert mit den netten Pressevertretern der JA, Freien Sachsen und Balaclava.“ Scharpe behauptet gegenüber Sächsische.de, es gebe „keinerlei Zusammenarbeit“ mit „Balaclava Graphics“.